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Die Plünderung und Zerstörung unserer Kulturschätze im Mittelmeerraum

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Unserem Kulturerbe rund um das Mittelmeer geht es momentan nicht gut: Bürgerkriege, Revolutionen, Aufstände und drohende Staatspleiten führen dazu, dass wir gerade gewaltige Zerstörungen anrichten.

Fangen wir beim offensichtlichen Land an: Syrien. Dort tobt ein brutaler Bürgerkrieg und daher ist es auch so schwer, über das dortige Kulturerbe zu schreiben. Wenn Menschen sterben, ist es irgendwie doch unangebracht, über alte Säulen, Museen oder Burgen zu schreiben. Was sind schon ein paar alte Gebäude gegenüber Menschenleben? Davon abgesehen wird gerade massiv zerstört und die Lage ist unglaublich unübersichtlich. Wir haben ein Video eines Panzerbeschusses der Säulenstraße von Palmyra und wir wissen, dass die Kreuzritterfeste Krak des Chevailers besetzt oder umkämpft ist. Nach aktuellem Stand wurden die Museumswächter von Bewaffneten vertrieben, die zum Regime Assads gehören und von der strategisch günstigen Lage der Festung die Umgebung kontrollieren. Entsprechend ist sie auch umkämpft – und wird anscheinend auch geplündert.

Krak_des_chevaliers

Krak des Chevaliers in Syrien
(Foto: A Travers [CC BY-NC-ND 2.0] bei flickr)

Ebenfalls ist anzunehmen, dass die Kämpfe in Damaskus, Homs und anderen Gegenden die dortigen Altstädte zerstören und verwüsten. Dazu kommt – nur schwer festzustellen – eine Plünderung von Museen und eine verstärkte Raubgraberei. Wo die staatliche Ordnung zusammenbricht, finden sich schnell geschäftstüchtige Leute, die bekannte (oder unbekannte) Fundstätten plündern. Eine gute, aber erschreckende Übersicht bieten Archaeolife, die Facebook-Gruppe Archeologie Syrienne und natürlich Archaeologik.

Nicht nur in Syrien oder dem Irak führten politische Tumulte und Krieg zu Plünderungen, in Ägypten und Libyen scheint es genauso. Zwischen Januar 2011 und Mai 2012 wurden etwa alleine in Ägypten 5967 Fälle illegaler Ausgrabungen festgestellt – die Dunkelziffer dürfte deutlich darüber liegen. Die Preise für archäologische Funde aus der Mittelmeerregion dürften in den letzten Monaten aufgrund der gestiegenen Raubgrabungsfrequenz deutlich gesunken sein.

Aber auch in den Ländern, die nicht von gewalttätigen Aufständen heimgesucht werden, sieht die Lage schlecht aus. Die Eurokrise führt dazu, dass die Länder im Süden ”sparen müssen”. Und wo kann man einfacher sparen als an der Kultur? Den Wächter an einem Gräberfeld kann man einsparen, die Polizei hat plötzlich anderes zu tun und die dringenden Renovierungen lassen sich auch erst mal aufschieben. Italien ist ja seit Jahrzehnten unfähig, die Vielzahl der Kulturerbestätten passend zu beschützen. Pompeji bröckelt vor sich hin – trotz sprudelnder Touristeneinnahmen. Die Renovierung des Kolloseums in Rom wird jetzt von einem Schuhfabrikanten finanziert. Und die Erdbeben in Mantua haben gewaltige Schäden angerichtet. Dazu kommen tolle Pläne wie die Errichtung einer Müllkippe auf einer Villa Hadrians. Raubgrabungen gibt es ebenfalls.

Noch schlimmer sieht die Lage in Griechenland aus: Von den Eurostaaten zum Sparen verdonnert, liegt jetzt fast die komplette Archäologie brach. Notgrabungen können nicht mehr durchgeführt werden, Archäologen werden in den Ruhestand geschickt und keine Nachfolger mehr berufen. Dieser New York Times-Artikel wirft einen traurigen Blick auf die Lage vor Ort und erzählt die traurige Geschichte eines Fundes minoischer Töpferei, der ohne Chance auf eine Notgrabung vom nächsten Regenguss ins Meer gespült wird. Dazu kommen Grabungsstopps, gelockerte Sicherheitsmaßnahmen, Sparmaßnahmen und die völlige Unsicherheit einer kompletten Generation junger Archäologen.

In der Türkei wird die Archäologie zunehmend zum Spielball der Politik. Ausgrabungslizenzen für unter ausländischer Leitung stehende Ausgrabungen werden aus politischen Gründen zurückgenommen oder benutzt, um die Rückgabe angeblich türkischer Artefakte wie der Sphinx von Hattusa zu erzwingen. Leihgaben an ausländische Museen werden ebenfalls verweigert oder zurückgefordert, wenn man bestimmte Stücke von ihnen zurückhaben will.

Dazu kommt in allen Ländern ein unglaublicher Bauboom – die steigende Bevölkerung und so manche Immobilienblase hat zu einem explosionshaften Wachstum der Städte geführt So ist etwa die Bebauung in Kairo bis auf wenige Meter an die Pyramiden von Gizeh herangerückt und man kann in einem Pizza Hut sitzen, Pizza essen und auf die Pyramiden schauen. In anderen Gegenden sieht es ähnlich aus – gebaut wird viel, gerne wild und gerne auch Großprojekte. In der Türkei sorgen momentan einige Staudammprojekte dafür, dass historische Stätten versinken werden.

Oder um es kurz zusammenzufassen: Die Lage ist prekär und gerade gehen wertvolle Kulturgüter unwiderbringlich verloren oder verschwinden in den privaten Sammlungen von Antikensammlern. Hier liegt auch der einzige Weg, um das Problem irgendwie zu lösen: Krieg, Bürgerkrieg und Revolutionen kann man nur schwer beeinflussen oder verhindern. Man kann aber versuchen, den Kauf von Fundstücken aus Raubgrabungen zu erschweren oder – noch besser – sozial unakzeptabel zu machen. Es darf nicht sein, dass etwa RTL-Chef Helmut Thoma sich immer noch damit brüstet, in Syrien ein Grab geplündert zu haben und die Fresken immer noch in seinem Wohnzimmer ausstellt. Ohne Abnehmer lohnt sich das Plündern von archäologischen Fundstellen nicht – das Problem sitzt eben nicht nur im weit entfernten Bürgerkriegsland Syrien, sondern im Zweifelsfall auch direkt in deiner Nachbarschaft.


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